Würgt der US-Präsident bald den Motor einer globalisierten Wirtschaft ab?

Mit Drohungen zum Ziel? Auf diese Taktik setzt Donald Trump in den vergangenen Wochen nicht nur im Handelskonflikt mit China, sondern auch mit der EU. Er erwägt, auf Autoimporte Zölle von bis zu 25% zu erheben. Sollte er diese Drohung wahr machen, würde dies die europäische Autoindustrie schwer treffen. Gefährdet Trump mit den angedrohten Zöllen den globalen Freihandel? Wir haben einen Experten gefragt, was hinter den ganzen politischen Floskeln und Drohungen steckt.

Olivia Grubenmann

Donnerstag, 28. Februar 2019, 17.30 Uhr

Trumps Droh-Taktik

Trump sind die Überschüsse, welche die Europäer im Handel mit den USA seit Jahren erzielen, ein Dorn im Auge. Schon zur Amtszeit von Obama versuchten die USA und die EU ein Handelsabkommen zu finden. Vergeblich. Seit letztem Sommer wurden die Gespräche um ein Handelsabkommen nun wieder aufgenommen. Mit der Androhung von Zöllen auf Autoimporte fährt Donald Trump offenbar eine neue Taktik, um den gewünschten Deal mit Europa zu erreichen. Sein Handelsminister Wilbur Ross stufte in einem Bericht die Autoimporte gar als Gefährdung der nationalen Sicherheit ein und schlug vor, die Importe mit Sonderzöllen zu belegen. Deutschland steht aufgrund der starken Exporte besonders im Fokus.

Gespräch mit Martin Naville

Doch stellen die deutschen Autos wirklich eine Bedrohung für die nationale Sicherheit dar? Oder geht es bei den Importzöllen in Wirklichkeit um etwas anderes? Und gefährdet Trump mit den angedrohten Importzöllen den globalen Handel? Um die komplexe Sachlage besser zu verstehen, haben wir mit einem Experten gesprochen. Martin Naville ist CEO der Handelskammer Schweiz-USA und kennt sich bestens aus, wenn es um Amerika und den Welthandel geht.

Martin Naville, Direktor der Handelskammer Schweiz-USA

Autoimporte als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten ein. Was halten Sie von dieser Aussage?

Import per se ist keine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA. Das Ministerium hat einfach einzelne Elemente herausgenommen wie Stahl und Aluminium. Diese werden in China massiv subventioniert, wodurch in Europa viele Stahl- und Aluminiumwerke zugehen. In Europa gibt es ein Verbot für staatliche Unterstützung, welches in China nicht existiert. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht. Zweitens gibt es im Moment ein massives Ungleichgewicht im Handel zwischen China und dem Westen. China hat die Grenze für viele Produkte für Ausländer direkt oder indirekt geschlossen. Sie haben auch dreimal höhere Zölle als in Amerika und sehr viel von dem «Geschwätz» um nationale Sicherheit ist eigentlich ein Machtkampf um die Neuordnung des Welthandels, vor allem zwischen China und dem Westen.

Was bedeuten Zölle als aussenpolitisches Werkzeug?

Zölle haben kurzfristig immer eine ausbalancierende Wirkung. Ein einfaches Beispiel sind die Unterschiede zwischen Entwicklungsländern und hochentwickelten Ländern. Man muss den Entwicklungsländern überhaupt eine Chance geben eine Industrie aufzubauen. Wenn sie keine Zölle einführen dürften, würden die entwickelten Länder mit viel produktiveren Produktionsmitteln diese Länder überschwemmen. Drittweltländer könnten damit nie eine Industrie aufbauen. Darum machen Zölle dort Sinn.

Es gibt auch noch andere Fälle, beispielsweise in der Umwelt, wo man sagt: Wir brauchen unbedingt unsere Landwirtschaft und deshalb sind dort Importzölle nötig. Das gilt insbesondere für die Schweiz. Mit Zöllen kann man also diejenigen Sachen steuern, die für gewisse Länder wichtig sind.

Vor 20 Jahren haben Zölle in China auch Sinn gemacht, um der chinesischen Industrie überhaupt eine Chance zu geben. Heute ist China der zweitgrösste Weltmarkt und tritt sehr selbstbewusst auf. Gleichzeitig ist der Import einiger Dinge komplett verboten, wie beispielsweise Photovoltaik, X-Ray, Catscan und Autobatterien. Anderes wird stark über Zölle reguliert. In diesen Fällen sind Zölle reiner Machtkampf.

Foto von chuttersnap

Kann das Einführen von Strafzöllen auf europäische Autos wirklich Arbeitsplätze in Amerika sichern?

Man darf das nicht zu wörtlich nehmen. Es gab Hearings zu den Autozöllen und 39 von 40 haben sich dort ganz klar gegen die Autozölle ausgesprochen. Alle wissen, dass man mit den Autozöllen nicht die alte amerikanische Autoindustrie wieder aufbaut. Man muss wissen: Die Autozölle in Europa sind viermal höher als in Amerika. Warum sollte das so sein? Die Amerikaner wollen jetzt also nur, dass Europa die gleichen Zölle hat wie Amerika. Über alles gerechnet sind die Zölle in Europa 50% höher als in Amerika und das will die Trump-Administration ändern. Dies kann man nicht in Verhandlungen mit der WTO lösen und sagen: Wir wollen, dass ihr mit den Zöllen 50% runtergeht, damit sie gleich sind wie unsere. Darum greift man jetzt auf eine Drohung zurück, im Sinne von: Wenn es nicht zu einem einigermassen paritätischen Abkommen kommt, dann tun wir euch weh. Deswegen wird gerade verhandelt.

Welche Rolle spielt die WTO und welche Möglichkeiten hat sie zur Einflussnahme?

Die WTO hat zwei Rollen. Das eine ist Conflict Resolution und das andere ist, neue multilaterale Verträge auszuhandeln. Die zweite Rolle hat sie schon seit 15 Jahren nicht mehr. Das ist alles nur “Geschwätz”. Sie konnte kleine Dinge im IT Bereich durchsetzen, aber sonst ist das eigentlich gescheitert. Die Struktur, dass 196 Länder einheitlich abstimmen müssen, heisst, dass jedes einzelne Land ein Vetorecht hat. Deswegen konnte man auch nie mehr etwas abschliessen. Die Ebene der Conflict Resolution ist glaube ich schon ein guter Ort, um sektorspezifische Details zu besprechen und dort auch etwas wie ein Schiedsgericht zu haben.

Aber wenn es darum geht, chinesische IT-Verletzungen und chinesische Zölle zu diskutieren, drängt sich die Frage auf, was die WTO noch machen kann. Vor allem auf der chinesischen Seite hat man gesehen: Als der internationale Gerichtshof China verboten hat, die Insel im gelben Meer zu bauen, haben die Chinesen nur müde gelächelt und einfach weitergemacht. Auf der weltstrategischen Ebene ist es für die WTO wahnsinnig schwierig sich durchzusetzen, weil sie weder eine Kontrollmacht noch eine Durchsetzungsmacht hat. Darum ist es zwar eine gute Plattform, wo zwei zerstrittene Parteien diskutieren und eine Lösung finden können, aber die WTO selbst hat viel zu wenig Macht, um das auch wirklich durchzusetzen.

Wenn diese Strafzölle tatsächlich eingeführt werden, was hätte das für Konsequenzen für den Welthandel?

Dann hätten wir ein Problem (lacht). Aber dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen, denn 25% Zölle auf europäische Autos würde auf beiden Seiten des Atlantiks zu einer Rezession führen. Die Autoindustrie ist wahnsinnig wichtig. Mit anderen Worten: Wir sind dann einen Schritt näher an einem wirklichen Handelskrieg und das wäre eine sehr unangenehme Situation. Dass es dazu kommt, ist sehr unwahrscheinlich, die involvierten Parteien werden sicher vorher ein Abkommen finden, aber man kann es nicht ganz ausschliessen.

Foto von Ernest Brillo

Ich glaube, man muss bei der Rhetorik ein bisschen hinter die Kulissen schauen, um herauszufinden, was das eigentliche Ziel ist. Auch bei dem Fall mit Stahl und Aluminium war das eigentliche Ziel nicht, die Stahl- und Aluminiumindustrie zu schützen. Das erste Ziel ist es, mit Drohgebärden gewisse Dinge zu erreichen. Aus amerikanischer Sicht ist es unverständlich, dass Europa immer noch 50% höhere Zölle hat und China immer noch dreimal höhere. In Europa und auch in den USA kämpfen wir gegen Monopole und staatliche Beihilfe und die Chinesen machen das unverfroren. Das sind die eigentlichen Dinge, die erreicht werden sollen, nicht die Zölle per se. Die sind nur ein Mittel zum Zweck.

Warum ist diese Diskussion genau jetzt so aktuell?

Das Ganze ist nicht neu. Auch Obama und Clinton haben schon versucht, gegen die ungleichen Zölle anzukämpfen, wollten aber keinen Wirtschaftskrieg riskieren. Trump kommt jetzt und sagt: Das müssen wir angehen, nach dem Motto «America First». Die Chinesen, Franzosen und Engländer überlegen ja auch nicht lange, wer an erster Stelle kommen sollte, und Trump, obwohl er ein “Trampel” und ein unfreundlicher Charakter sein kann, zeigt halt jetzt auf ein klares Ungleichgewicht. Er ist ein wenig ungeduldig und meint, er könne mit Lärm alles lösen und wir werden dann sehen, was dabei herauskommt. Es ist klar, dass ein Ungleichgewicht existiert, aber ob seine Lösung die beste ist, das bleibt fraglich.

Letzten Juni war Martin Naville zu Gast auf unserem Podium in der Kantonsschule Hottingen, Zürich. Mit Schülerinnen und Schülern und Beat Soltermann als Moderator, diskutierten wir dort das Thema "Protektionismus -  "America First".
Hier kannst du die Debatte mitverfolgen.

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Olivia Grubenmann
Globate Moderatorin

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